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22.03 - 24.03.2022
Dauer: 3 Tage
Virtuell
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Der Kongress Armut und Gesundheit schafft seit 1995 ein kontinuierliches Problembewusstsein für gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland. An drei Veranstaltungstagen tauschen sich Akteur*innen aus Politik, Wissenschaft, Gesundheitswesen, Praxis und Selbsthilfe zu Themen gesundheitlicher Ungleichheit aus. Aktuelle Forschungsergebnisse werden ebenso diskutiert und vertieft wie neue Strategien, Lösungsansätze und Erfahrungen. Die vergangenen Kongresse haben bereits eine Vielzahl neuer Kooperationen auf den Weg gebracht und Entwicklungen und Diskussionen angestoßen.

Mit dem Engagement aller Akteur*innen und Teilnehmenden des Kongresses erfährt eine heterogene Gruppe von Menschen eine Lobby, die oftmals wenig Unterstützung erhält.

Kongressprogramm

Sexuelle Gesundheit und Selbstbestimmung. Perspektiven auf eine bedürfnis- und bedarfsorientierte Unterstützung.

H4 - Kompetenzen II

09:00 - 10:30

In dem Fachforum werden drei Beiträge vorgestellt, die die Themen sexuelle Gesundheit und sexuelle Selbstbestimmung, sowie Möglichkeiten zur bedürfnisorientierten Unterstützung aus verschiedenen Perspektiven darstellen und diskutieren. 
 
1.  Beitrag und Diskussion: Arm aber sexy?! Wir müssen über Sexuelle Gesundheit sprechen.
2.  Beitrag und Diskussion: Bildung zu sexueller Gesundheit im Kindes- und Jugendalter in prekären Milieus. Zur Bedeutung der außerschulischen und -familiären Sexualaufklärung zur Reduktion von gesundheitlicher Chancenungleichheit.
3.  Beitrag und Diskussion: Digitale Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in gemeinschaftlichen Wohnformen und der Beitrag zur sexuellen Selbstbestimmung
 

Arm aber sexy?! Wir müssen über Sexuelle Gesundheit sprechen.

Sexuelle Gesundheit wird als Thema sowohl in den Gesundheitsberufen als auch in der Medizin per Ausbildungsverordnung weitestgehend ausgeklammert. Dabei sind die Erfüllung sexueller Bedürfnisse Voraussetzung für ein erfülltes, gesundes und zufriedenes Leben. Dieses Negieren in der Theorie hat zur Folge, dass auch in der Praxis kaum bis nie über sexuelle Themen gesprochen wird. Dabei zeigt die aktuelle Studienlage, dass sowohl Praktizierende Skills hinsichtlich Gesprächsführung, aber auch inhaltlichem Wissen sowie Umgang mit herausfordernden Situation benötigten. Aber auch Patient:innen geben an, auf derlei Themen angesprochen werden zu wollen und dies professionsübergreifend. Dies belegen sowohl Studien aus der Sexualmedizin als auch der Ergotherapie und verwandten Disziplinen.

Dabei könnte ein einfaches Kommunikationsprinzip Patient:innen helfen, ihre sexuelle Gesundheit sicher angesprochen zu wissen. Das PLISSIT Modell aus der Sexualtherapie sorgt einerseits für eine klare Kommunikationsstruktur, andererseits als Basis, auf die sich interprofessionell geeinigt werden könnte. Mit der Erlaubnis (P) über sexuelle Themen zu sprechen, geben Behandler:innen limitierte Informationen (LI) hinsichtlich sexueller Anliegen und machen dann bei Bedarf spezifisch passende Vorschläge (SS). Bei nötiger qualifizierter Intervention, kann zu spezialisierten Behandeln:innen für intensive Therapie (IT) delegiert werden.

Die Vision: alle Professionen verfügen über eine Grundbasis über Wissen hinsichtlich sexueller Gesundheit. Unserem Gesundheitssystem würde dies langfristig Kosten ersparen, die sexuelle Zufriedenheit und Gesundheit eng korellieren.

Wär´das nicht sexy?!

Bildung zu sexueller Gesundheit im Kindes- und Jugendalter in prekären Milieus. Zur Bedeutung der außerschulischen und -familiären Sexualaufklärung zur Reduktion von gesundheitlicher Chancenungleichheit

Studien zufolge stellen die wichtigsten Zugangswege der Sexualaufklärung für Kinder und Jugendliche die Schule und die Eltern dar. Doch wie gut erreichen Sexualaufklärungsmaßnahmen Kinder und Jugendliche aus prekären Milieus, die häufig brüchige Biografien aufweisen? Wie erleben Kinder und Jugendliche aus diesem Milieu die Sexualaufklärung, wenn sie erreicht werden?

Die Datengrundlage bilden 16 leitfadengestütze Interviews mit Jugendlichen im Alter von 15 bis 21 Jahren, die im Zeitraum von September 2015 bis November 2018 geführt wurden. Die Datenerhebung erfolgte im Jugendarrest Berlin-Brandenburg, der Jugendbewährungshilfe Berlin und im Kontext der „Straße“. Die Datenauswertung erfolgte multimethodisch und orientierte sich an der Dokumentarischen Methode, der Grounded Theory und der Inhaltsanalyse.

Auf Grund biografischer Brüche werden Kinder und Jugendliche aus prekären Milieus unzureichend sexuell aufgeklärt. Viele Jugendliche geben an, durch sexuelle Erfahrungen sich selbst sexuell aufklärt zu haben. Elterliche oder schulische Sexualaufklärung in der Sekundarschule haben nur wenige erhalten. Findet Sexualaufklärung statt, so wird sie i. d. R. als bereichernd wahrgenommen, wenngleich die Jugendlichen betonen, dass die Themenvielfalt begrenzt ist und oftmals nicht lebensweltorientiert durchgeführt wird.

Die Chancen im Kindes- und Jugendalter adäquate Sexualaufklärung zu erreichen sind ungleich verteilt und stark mit Prozessen sozialer Ungleichheit verbunden. Zur Reduktion von gesundheitlicher Chancenungleichheit müssen neue Zugangswege erschlossen und Sexualaufklärungsangebote sich auf Jugendhilfeeinrichtungen fokussieren.

Digitale Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in gemeinschaftlichen Wohnformen und der Beitrag zur sexuellen Selbstbestimmung

Sexuelle Selbstbestimmung ist essentiell für die (sexuelle) Gesundheit eines Menschen. Menschen mit Lernschwierigkeiten erleben oft Einschränkungen ihrer sexuellen Rechte. In gemeinschaftlichen Wohnformen der Eingliederungshilfe (EGH) wurden pandemiebedingt oft pauschal starke Restriktionen umgesetzt, die die Teilhabe der Bewohner*innen einschränkten. Die Themen Liebe, Sexualität und Partnerschaft rückten in den Hintergrund, was zur Isolation der Bewohner*innen und Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit führte. In dieser Situation wurde deutlich, wie grundlegend digitale Teilhabe für die gesellschaftliche Teilhabe dieser Personengruppe ist.

Mittels bundesweiter Online-Befragung von Mitarbeiter*innen in Einrichtungen der EGH wurde erfasst, wie sich die Rahmenbedingungen für digitale Teilhabe in Wohnformen der EGH während der Pandemie (Juni 2020 – Mai 2021) darstellten und nach dem Beitrag digitaler Teilhabe zu sexueller Selbstbestimmung gefragt.

129 vollständige Fragebögen: Mediale Infrastruktur: Verbesserungsbedarf hoch, bei bereits optimierter Infrastruktur. Digitale Teilhabe: Wünsche nach digitalen Medien und Assistenzbedarf auf Seite der Bewohner*innen gestiegen. Sexuelle Selbstbestimmung: Stellenwert hoch, digitale Angebote werden genutzt. Vielfältige Chancen und Herausforderungen werden deutlich.

Digitalisierung in der EGH bietet Chancen für mehr Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten und ihre sexuelle Selbstbestimmung. Forschungen zur digitalen Teilhabe aus der Perspektive der Bewohner*innen mit geeigneten Instrumenten zu initiieren, ist ergänzend dringend gefordert.

Themenfelder
  • Themenfeldübergreifende Veranstaltung
Sprecher*innen
Wiebke Richter
PHÖNIX e. V. – Beratung und Hilfe für behinderte Menschen
Katja Stolte
coitoergosum: Digitale Ergotherapie für Psychische & Sexuelle Gesundheit, Berlin
Thomas Wilke
Goethe Universität Frankfurt, Germany
Tim Krüger
Humboldt-Universität zu Berlin
Katarina Prchal
Humboldt-Universität zu Berlin

Foto aus dem Lichthof an der TU Berlin

Foto: André Wagenzik