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Der Kongress Armut und Gesundheit schafft seit 1995 ein kontinuierliches Problembewusstsein für gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland. An drei Veranstaltungstagen tauschen sich Akteur*innen aus Politik, Wissenschaft, Gesundheitswesen, Praxis und Selbsthilfe zu Themen gesundheitlicher Ungleichheit aus. Aktuelle Forschungsergebnisse werden ebenso diskutiert und vertieft wie neue Strategien, Lösungsansätze und Erfahrungen. Die vergangenen Kongresse haben bereits eine Vielzahl neuer Kooperationen auf den Weg gebracht und Entwicklungen und Diskussionen angestoßen.
Mit dem Engagement aller Akteur*innen und Teilnehmenden des Kongresses erfährt eine heterogene Gruppe von Menschen eine Lobby, die oftmals wenig Unterstützung erhält.
H1 - Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik II
16:00 - 17:30
Jährlich arbeiten in der deutschen Landwirtschaft hunderttausende ausländische Saisonarbeiter*innen, überwiegend aus Osteuropa. Schon vor Corona war die Arbeit gesundheitsgefährdend: harte körperliche Arbeit, Sonne und Regen ausgesetzt, oft 12 oder 13 Stunden am Tag; enge Wohnverhältnisse, schlechte hygienische Bedingungen und unzureichende Kontrolle des Arbeitsschutzes. Durch den Missbrauch geringfügiger Beschäftigung ist ein Großteil zudem von der Sozialversicherung ausgeschlossen. Viele sind daher nicht krankenversichert und bei Erkrankung auf ehrenamtliche medizinische Versorgungsangebote angewiesen.
Die Covid-19-Pandemie und die politischen Reaktionen haben die Situation verschärft: gesetzliche Ausnahmen wie die „Arbeitsquarantäne“ wurden geschaffen, Abstands- und Hygienevorgaben von Arbeitgeber*innen oft nicht eingehalten. Auf mehreren Höfen kam es zu Corona-Ausbrüchen. Für 2020 wurde der Zeitraum, in dem Saisonarbeitskräfte ohne Sozial- und Krankenversicherung in Deutschland arbeiten dürfen, von 70 auf 102 Tage ausgeweitet. In diesem Jahr (2022) soll eine Krankenversicherungspflicht zwar kommen, dies bedeutet jedoch keinen Anspruch auf eine gesetzliche KV.
Die Pandemie hat die Missstände sowohl in Bezug auf die gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen wie den mangelnden Zugang zu Gesundheitsversorgung von Saisonarbeitskräften sichtbar gemacht und sie z.T. verschärft.
Im Sinne einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik besteht dringend Handlungsbedarf: Der weitgehende Ausschluss von Saisonarbeiter*innen aus dem deutschen Sozialversicherungs- und damit auch Gesundheitssystem muss dringend beendet werden.
Schluss mit Ausschluss: Zur Integration von Saisonarbeiter*innen in das gesetzliche Krankenversicherungssystem
Der Beitrag geht kurz auf die oft ausbeuterischen Arbeitsbedingungen von Saisonarbeiter*innen in der Landwirtschaft sowie ihre sozioökonomische Bedeutung ein. Dem werden die bestehenden Ausnahmeregelungen von der Sozialversicherungspflicht sowie ihr Missbrauch gegenübergestellt und so gezeigt, wie Saisonarbeiter*innen von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen werden. Abschließend werden zentrale Forderung des DGBs vorgestellt, mit dem sich diese Missstände beheben ließen.
Daten zu Nicht-Versicherten und Fallbeispiele von Saisonarbeitskräften aus den Anlaufstellen von Ärzte der Welt e.V.
Ärzte der Welt betreibt mit Kooperationspartnern (Medizin Hilft e.V., hoffnungsorte hamburg) medizinische Anlaufstellen für Menschen ohne KV in München, Hamburg und Berlin. Im Gesundheitsreport werden die erhobenen Daten wissenschaftlich ausgewertet: Sie geben einen Überblick über Soziodemografie, Lebensumstände, erlebte Barrieren und den Gesundheitszustand der befragten Patient*innen. Ausgewählte Fallbeispiele gewähren Einblick in Situation und Herausforderungen von Saisonarbeitskräften.
Situation von Saisonarbeitskräften in Zeiten von Corona
Der Beitrag berichtet anhand von konkreten Erfahrungen von Feldbesuchen und Fallberatungen von den zentralen Herausforderungen von osteuropäischen Saisonbeschäftigten in der Landwirtschaft in Deutschland. Insbesondere wird auf Fragen des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz eingegangen (Muskel-Skelett-Erkrankungen, Hitzestress, Ausbrüche von Corona).
Foto: André Wagenzik