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Der Kongress Armut und Gesundheit schafft seit 1995 ein kontinuierliches Problembewusstsein für gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland. An drei Veranstaltungstagen tauschen sich Akteur*innen aus Politik, Wissenschaft, Gesundheitswesen, Praxis und Selbsthilfe zu Themen gesundheitlicher Ungleichheit aus. Aktuelle Forschungsergebnisse werden ebenso diskutiert und vertieft wie neue Strategien, Lösungsansätze und Erfahrungen. Die vergangenen Kongresse haben bereits eine Vielzahl neuer Kooperationen auf den Weg gebracht und Entwicklungen und Diskussionen angestoßen.
Mit dem Engagement aller Akteur*innen und Teilnehmenden des Kongresses erfährt eine heterogene Gruppe von Menschen eine Lobby, die oftmals wenig Unterstützung erhält.
H2 - Lebenswelten III
16:00 - 17:30
Übersetzung in einfache Sprache: https://youtu.be/tRoCRTPRp3I
Menschen mit Lernschwierigkeiten erleben oft Einschränkungen ihrer sexuellen Rechte. Insbesondere in gemeinschaftlichen Wohnformen der Eingliederungshilfe (EGH) tragen systemimmanente Machtasymmetrien dazu bei, dass sexuelle Selbstbestimmung vielfach nicht gelebt werden kann. Die sexuelle Gesundheit der dort lebenden Menschen mit Lernschwierigkeiten scheint daher besonders vulnerabel. Die Pandemie hat diese Situation verschärft, da das Thema sexuelle Selbstbestimmung im Alltag dieser Einrichtungen weit in den Hintergrund gerückt ist und Nähe, Kontakt und Sozialbeziehungen radikal eingeschränkt wurden.
Das durch die BZgA geförderte Forschungsprojekt ReWiKs bearbeitet diese Situation aktiv mit den betroffenen Akteur*innen in Wohnformen der EGH (Bewohner*innen, Mitarbeitende, Leitungspersonen). Es finden Fortbildungen für Mitarbeitende, selbstbestimmte Austauschformate für Bewohner*innen (sog. Freiraum-Gruppen) und eine kontinuierliche Materialentwicklung statt. Alle Aktivitäten werden evaluiert.
Über 120 Mitarbeitende in Wohnformen der EGH/Beratungsstellen wurden zu Multiplikator*innen geschult, um sexuelle Selbstbestimmung in den Organisationen zu etablieren. Mehrere Freiraum-Gruppen tragen bundesweit zum Empowerment von Bewohner*innen bei. Die entwickelten Materialien befördern die intendierten individuellen und organisationalen Entwicklungsprozesse.
Die Verstetigung von Veränderungen in Wohnformen der EGH benötigt die Kooperation aller Akteur*innen, wobei Ausgangspunkt und Legitimation stets die Bedürfnisse der Menschen mit Lernschwierigkeiten sein müssen.
1. Stillstand im Krisenmodus?
Die Corona Pandemie stellt Mitarbeitende in der EGH vor besondere Herausforderungen. Wie kann aus dem reaktiven Krisenmodus eine neue pro-aktive Arbeitswirklichkeit entstehen, in der das Thema sexuelle Selbstbestimmung Raum erhält? In dieser Session erfolgt ein Rückblick und Austausch zu Good-Practice Beispielen zum Thema sexuelle Selbstbestimmung in der Pandemie. Es werden Impulse diskutiert, die Auswege aus dem Krisenmodus aufzeigen und krisenbedingte Grenzen neu bewerten.
2. Freiraum: Sexualität + ICH
Bewohner*innen der EGH waren in der Pandemie weitgehend von Angeboten der sozialen Teilhabe ausgeschlossen. Die Digitalisierung, die die Teilhabe in vielen sozialen Bereichen beförderte, blieb für Menschen mit Lernschwierigkeiten in der EGH weitgehend aus. Vor diesem Hintergrund werden digitale Formate in den sog. Freiraum-Gruppen des ReWiKs–Projektes vorgestellt. Dabei werden Chancen und Grenzen der digitalen Gruppenarbeit zum Themenkomplex sexuelle Selbstbestimmung aufgezeigt und diskutiert.
3. Was wirkt wie? Evaluation der ReWiKs-Angebote
Die ReWiKs-Fortbildungen werden durch einen Mixed-Methods-Ansatz evaluiert. Vorgestellt und diskutiert werden Ergebnisse in Bezug auf die fachliche Weiterentwicklung der Multiplikator*innen und die organisationale Verankerung des Themas sexuelle Selbstbestimmung. Die Weiterentwicklung und Evaluation der Freiraum-Gruppen erfolgen gemeinsam mit Akteur*innen aus der Praxis. Im Fokus stehen hierbei die Möglichkeiten und Herausforderungen partizipativ orientierter Forschung in Pandemiezeiten.
Foto: André Wagenzik